Kaum etwas bewegt uns so sehr wie die Begegnung mit dem Tod. Kaum etwas geschieht heute so verborgen wie das Sterben. Die Journalistin Beate Lakotta und der Fotograf Walter Schels baten Schwerstkranke, sie in den letzten Wochen begleiten zu dürfen. Aus diesen Begegnungen entstanden einfühlsame Schilderungen und Fotos von Menschen am Ende ihres Lebens. Die meisten verbrachten ihre letzte Zeit im Hospiz, einem Lebensort für Sterbende, an dem Hoffnungen und Ängste gleich wiegen: Wer hier einzieht, wird die Zeit bis zum Tod so bewußt und schmerzfrei wie möglich erleben können. Doch es bleibt ihm nur eine kurze Spanne, um Bilanz zu ziehen, Frieden mit sich und den anderen zu machen, sich mit dem Tod zu befassen und mit der Frage nach dem Danach.
Fünfundzwanzig Geschichten von Menschen, die unheilbar krank sind, die davon erzählen wie es ist, dem Tod sehr nahe zu sein und Abschied vom Leben nehmen zu müssen. Eindrucksvolle Porträts, aufgenommen kurze Zeit vor und unmittelbar nach dem Tod, begleiten sie.
Braucht es noch ein Buch über das Sterben von Menschen in Hospizen? Die Antwort darauf lautet: Dieses Buch fehlte bisher in der ganzen Breite der Hospizliteratur.
Die Journalistin Beate Lakotta und der Fotograf Walter Schels haben sich auf ein Abenteuer eingelassen. Sie suchten nach dem alltäglichen Sterben in unserer Gesellschaft und haben in verschiedenen Hospizen und Krankenhäuser Menschen gefunden, die sie die letzten Tage und Wochen an ihrem Leben teilhaben ließen. Sie haben diese Geschichten aufgeschrieben, ohne Pathos, ohne Beschönigung, ohne Dramatisierung. Sie nähern sich den Menschen und ihren Geschichten einfühlsam und respektvoll. Sie erzählen vom Sterben, so wie es jeden treffen kann und mit aller größten Wahrscheinlichkeit auch so oder ähnlich treffen wird. Gerade weil so alltäglich vom Sterben erzählt wird, kann sich der Leser nur sehr schwer distanzieren. Da hilft kein: "Aber bei mir ist das alles ganz anders."
Die Bilder von Walter Schels verstärken dies noch. Sie zeigen in gewisser Weise schonungslos, aber mit ungeheurer Intensität die Gesichter dieser Menschen. Immer nebeneinander: Das Gesicht des Lebenden und das Gesicht des Toten.
Es bleibt dem Betrachter überlassen, sich den Bildern zu stellen oder nicht. Sie sind in keiner Weise voyeuristisch, sondern echt, ungeschminkt und eben mitten aus dem Leben.
Damit greift er eine Tradition auf, die zwischenzeitlich verloren schien. Für unsere Vorfahren war es durchaus üblich, sich die eigene Vergänglichkeit vor Augen zu führen. Sie suchten noch bis ins vergangene Jahrhundert hinein in den Totenmasken berühmter Zeitgenossen nach Spuren gelebten Lebens, nach Anzeichen von Schmerz und Erlösung, nach Antworten auf letzte Fragen. In der Anfangszeit der Fotografie war es nichts Ungewöhnliches, dass ein Fotograf für die Familie ein Portrait des Verstorbenen machte.
Die Bilder von Walter Schels wurden bereits in einer Ausstellung in Dresden präsentiert.
Weitere Ausstellungen sollen folgen.
Das Buch erhielt bereits einige Auszeichnungen: Walter Schels bekam für seine Porträts einen zweiten Preis bei World Press Photo 2004; das Buch wurde mit einem der beiden Ehrenpreise der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz 2004 prämiert.
Bernhard Bayer, Stuttgart