Wer Sterbende begleitet, begibt sich in einen intensiven persönlichen und zwischenmenschlichen Prozess hinein, in dessen Verlauf sich je nach Sensibilität und Dichte der Kommunikation eine veränderte Spiritualität des Begleitenden wie des Begleiteten - im schönsten Fall sogar eine gemeinsam entwickelte - ergeben kann. Für ein solches Hineinwachsen ist dieses Buch geschrieben: Wo in einem intensiven Begleitungsprozess trennende Grenzen verschwinden, kann die Spiritualität zum Halt und Rahmen werden, kann der Begleitende in seinen eigenen Lebens- und Sterbeprozess "hineinreifen".
Gerne nehmen wir als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Hospiz in Anspruch, Sterbende und ihre Angehörigen spirituell zu begleiten. Kaum einer wagt jedoch, genau zu beschreiben, was damit eigentlich gemeint ist. Dies leistet nun eine der profiliertesten Hospizengagierten in Deutschland, Monika Müller. Liest man sich in ihr Buch ein, dann wird ganz schnell deutlich, dass es dabei nicht um eine wie auch immer zu definierende "Dienstleistung" von Hospizeinrichtungen geht. Das Buch redet vom eigentlichen Kern von Begleitung: ein Geschehen, das sowohl den der begleitet wird, wie auch den, der begleitet berührt und verändert. Alle Beteiligten werden auf einen Weg mitgenommen, wenn sie es zulassen, und sie werden Entdeckungen und Erfahrungen machen, die ihnen sonst verborgen geblieben wären. Es kann etwas geschehen, das nicht in der Wirkmächtigkeit der Akteure liegt, sondern offenbar eine eigene Ursprünglichkeit hat. In einer sehr anschaulichen und lesbaren Sprache erzählt Monika Müller von solchen Begegnungen in ihrer langjährigen Arbeit. Sie bringt das Wesen des Erfahrenen auf den Punkt, ohne belehrend oder gar missionarisch zu werden. Sie bietet Deutungen für Erlebtes an, die den Leser einlädt, eigene Erfahrungen und Erlebnisse auf seinen Lebens- und Glaubenshorizont hin zu deuten. Sie macht Mut, das eigene Erleben zu transzendieren und die Wirklichkeit hinter der Realität wahrzunehmen. Monika Müller schöpft dabei nicht nur aus einem reichen Schatz an Erfahrung in Begleitungen, sondern auch aus ihrem sich Einlassen auf vielfältige Formen religiöser und spiritueller Praxis. Daraus entwickelt sie ihre ganz persönliche spirituelle Praxis, in der viele, die in ähnlichen Zusammenhängen arbeiten, sich wieder finden werden. Dieses Buch wird man nicht in einem Zug durchlesen. Es eignet sich eher dafür, es im eigenen Begleitungsalltag immer wieder mal zur Hand zu nehmen, sich hinzusetzen und anhand eines Kapitels für sich selber zu reflektieren, was einem so alles im Laufe einer Begleitung passieren kann. Eine erfahrene Hospizbegleiterin formulierte es so: "Auch nach einigen Jahren Hospizarbeit noch lesenswert." Dies kann ich nur bestätigen.
Bernhard Bayer, Stuttgart